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Enteignungsentschädigung in der Schweiz – Rechte, Verfahren und Berechnung

In der Schweiz geniesst das Privateigentum besonderen Schutz. Staatliche Eingriffe wie Enteignungen sind nur ausnahmsweise zulässig und müssen klar gerechtfertigt sein. Zudem haben betroffene Grundstückseigentümer Anspruch auf volle Enteignungsentschädigung, damit ihnen weder Vor- noch Nachteil entsteht. Dieser Deep-Dive erklärt verständlich, wann und in welcher Höhe eine Enteignungsentschädigung geschuldet ist, wie das Verfahren abläuft und welche Rechte Eigentümer haben. Dabei betrachten wir formelle vs. materielle Enteignung, die Berechnung der Entschädigung (Verkehrswert, Teilenteignung, Vorteilsanrechnung), typische Fälle aus der Praxis sowie Fristen und Rechtsmittel. Grundstückseigentümer sollen so ihre Lage besser einschätzen können – und wissen, wann ein Anwalt für Immobilienrecht unterstützen kann.

Art der Enteignung: Formelle vs. materielle Enteignung – Wo liegt der Unterschied?

Formelle Enteignung

Dies ist die „klassische“ Art der Enteignung. Ein öffentlich-rechtlicher Hoheitsakt entzieht oder beschränkt geschützte vermögenswerte Rechte an einer Sache (meist an Grundstücken) und überträgt sie ganz oder teilweise auf den Enteigner (in der Regel den Staat oder Dritte mit öffentlichem Auftrag). Das Eigentum geht also auf eine andere Partei über, meist eine staatliche Stelle. Formelle Enteignungen dienen öffentlichen Aufgaben – z. B. dem Landbedarf für Strassen- oder Bahnprojekte – und müssen immer voll entschädigt werden. Der Entzug erfolgt einseitig per Gesetz, Verfügung oder Planbeschluss und verschafft dem Enteigner die benötigten Rechte am Grundstück.

Materielle Enteignung

Hier verbleibt das Grundstück formal im Eigentum der Person, aber öffentliche Beschränkungen führen faktisch zu einem schweren Eingriff in die Eigentumsrechte. Konkret untersagt oder beschränkt der Staat eine bisherige oder voraussehbare künftige Nutzung so stark, dass es einer Enteignung gleichkommt. Wesentliche aus dem Eigentum fliessende Befugnisse werden entzogen – zum Beispiel das Baurecht. In solchen Fällen spricht man von materieller Enteignung, die wie eine formelle zu entschädigen ist.

Beispiele: Ein Grundstück wird durch eine neue Bauvorschrift oder Auszonung unbebaubar, was einer vollständigen Entwertung gleichkommt. Oder einzelne Eigentümer erleiden durch eine Planung ein Sonderopfer: Ihr Nachteil ist im Vergleich zur Allgemeinheit derart unzumutbar, dass ohne Entschädigung die Rechtsgleichheit verletzt wäre. Ein typischer Fall ist, wenn ein bisher bebaubares Grundstück in eine Schutzzone zurückgezont wird (materielle Enteignung), während Nachbarparzellen baubar bleiben – hier steht dem Betroffenen regelmässig eine Enteignungsentschädigung zu. Auch die Unterschutzstellung eines Gebäudes (Denkmalschutz) kann eine materielle Enteignung darstellen, da die Nutzung stark eingeschränkt und der Wert erheblich gemindert wird. Geringfügige oder allgemein hinzunehmende Eigentumsbeschränkungen gelten hingegen als entschädigungslos zu duldende Einschränkungen und lösen keine Entschädigungspflicht aus.

Voraussetzungen für eine Entschädigungspflicht

Die Eigentumsgarantie in der Bundesverfassung garantiert nicht nur den Bestand des Eigentums, sondern auch dessen Wert (Wertgarantie). Enteignungen oder enteignungsgleiche Eingriffe dürfen nur gegen volle Enteignungsentschädigung erfolgen. Das Prinzip „volle Entschädigung“ bedeutet, dass die enteignete Person finanziell so gestellt werden soll, als hätte der Eingriff nie stattgefunden. In der Schweiz ist daher fast immer eine Entschädigung geschuldet, wenn Eigentum für öffentliche Zwecke entzogen oder stark eingeschränkt wird.

Gesetzliche Grundlagen

Die Voraussetzungen, unter denen eine Enteignung zulässig ist, sind streng. Gemäss Bundesverfassung (Art. 36 BV) und Enteignungsgesetz muss der Eingriff eine genügende gesetzliche Grundlage, ein öffentliches Interesse (z. B. Strassenbau, Energieversorgung, Umweltschutz) und Verhältnismässigkeit aufweisen. Das heisst, die Enteignung muss das letzte Mittel sein, um ein legitimes Ziel zu erreichen. Sind diese Bedingungen erfüllt, greift die Wertgarantie: Eine Enteignung ist nur zulässig, wenn der Betroffene vollständig entschädigt wird. Bei formellen Enteignungen ist dies immer der Fall; bei materiellen Enteignungen wird im Streitfall geprüft, ob der Eingriff so schwer wiegt, dass er entschädigungspflichtig ist. Mildere Eingriffe – etwa allgemeine Bauvorschriften oder polizeiliche Auflagen, die alle treffen – lösen keine Entschädigung aus.

Berechnung der Entschädigungshöhe

Volle Enteignungsentschädigung bedeutet, dass weder ein finanzieller Verlust noch ein Gewinn für die enteignete Person verbleibt. In der Praxis wird die Entschädigung auf Basis des Verkehrswerts des entziehenden Rechts berechnet, also dem objektiven Marktwert der Sache. Alternativ kann in bestimmten Fällen auch der Ertragswert (bei renditeorientierten Objekten) herangezogen werden. Entscheidend ist, dass der vollständige wirtschaftliche Schaden ausgeglichen wird. Nach Art. 16 EntG sind bei der Berechnung der Entschädigung insbesondere folgende Bestandteile zu berücksichtigen:

  • Wert des entzogenen Eigentums: Der volle Marktwert des enteigneten Grundstücks oder Rechts zum Zeitpunkt der Enteignung. Hierbei wird der Preis zugrunde gelegt, der unter normalen Verkaufsbedingungen erzielt würde (Verkehrswert).
  • Wertminderung des Restgrundstücks: Falls nur ein Teil eines Grundstücks entzogen wird (Teilenteignung), kann der verbleibende Teil an Wert verlieren (z. B. durch ungünstigen Zuschnitt, Lärmeinwirkung oder Wegfall von Zufahrten). Dieser Minderwert ist zu entschädigen. Allerdings sieht das Gesetz eine Vorteilsanrechnung vor: Soweit dem Restgrundstück durch das Projekt besondere Vorteile zukommen, werden diese vom Minderwert abgezogen. Beispiel: Wird Land für den Strassenbau enteignet, aber das Restland gewinnt durch die neue Strasse an Erschliessungswert, mindert dieser Vorteil die Entschädigung.
  • Weitere Nachteile durch das Werk: Alle weiteren direkt kausalen Nachteile, die der Enteignete infolge des Eingriffs erleidet, müssen ersetzt werden. Dazu können z. B. Kosten für die Anpassung des verbleibenden Grundstückteils, Umzugskosten, Geschäftseinbussen oder Ertragsausfälle gehören. Auch nachteilige Immissionen (etwa Lärm oder Schattenwurf), die durch das Vorhaben entstehen und das Grundstück entwerten, sind abzugelten, sofern sie über das zumutbare Mass hinausgehen.

Die Enteignungsentschädigung wird grundsätzlich als Geldleistung ausgerichtet – entweder als einmalige Kapitalzahlung oder in bestimmten Fällen als wiederkehrende Leistungen (Renten). Nur mit Zustimmung der enteigneten Person sind auch Sachleistungen möglich, etwa die Überlassung eines Ersatzgrundstücks oder Tauschland. So könnte z. B. beim Enteignen von Land für eine Strasse ein anderes gleichwertiges Grundstück als Entschädigung angeboten werden, falls der Eigentümer einverstanden ist.

Teilenteignung – besondere Rechte

Wenn nur ein Teil eines Grundstücks gebraucht wird, stellt sich oft die Frage, was mit dem Rest passiert. Die Schweizer Gesetzgebung trägt dem Rechnung: Wird durch die Teilenteignung die verbleibende Fläche unbrauchbar oder unverhältnismässig schwierig nutzbar, kann der Eigentümer verlangen, dass der Enteigner das ganze Grundstück übernimmt. Er soll nicht mit einem „Reststück“ zurückbleiben, das kaum mehr verwendbar ist. Umgekehrt kann der Enteigner die Übernahme der ganzen Parzelle verlangen, wenn der Entschädigungsbetrag für den Wertverlust des Restes mehr als ein Drittel des Wertes dieses Restgrundstücks ausmacht. In beiden Fällen wird also auf eine faire Lösung hingewirkt. Letztlich entscheidet die Schätzungskommission oder das zuständige Gericht über solche Ausdehnungsbegehren im Enteignungsverfahren.

Typische Fälle aus der Praxis

Infrastrukturprojekte (formelle Enteignung)

Der Bau neuer Verkehrswege – etwa Strassen, Autobahnen oder Bahnlinien – erfordert oft die Inanspruchnahme privater Grundstücke. Hier kommt es regelmässig zu formellen Enteignungen, damit das Gemeinwesen das benötigte Land erhält. Vergleichbares gilt für andere Grossprojekte im öffentlichen Interesse, z. B. Flughäfen, Staudämme, Stromtrassen oder Leitungen. Die Eigentümer erhalten in diesen Fällen eine volle Enteignungsentschädigung zum Marktwert ihres Landes, da ihr Eigentum für das Projekt entzogen wird.

Auszonungen und Rückzonungen (materielle Enteignung)

Seit der Raumplanungsrevision 2014 müssen überdimensionierte Bauzonen verkleinert werden. Wird ein bisheriges Baugrundstück in eine Nicht-Bauzone zurückgezont (Auszonung), verliert es faktisch die Bebaubarkeit und erleidet einen drastischen Wertverlust. Ein solcher Planungsakt gilt als materielle Enteignung, die nach Art. 5 Abs. 2 RPG voll entschädigt werden muss. Das gleiche Prinzip greift, wenn eine Bauparzelle neu in die Landwirtschaftszone oder eine Grünzone eingeteilt wird. Allerdings gibt es Sonderfälle: War das Grundstück z. B. nie rechtsgültig einer Bauzone zugewiesen oder handelt es sich um veraltete Nutzungspläne, kann eine Entschädigung entfallen. Grundsätzlich steht betroffenen Eigentümern bei echter Auszonung aber eine Enteignungsentschädigung zu.

Bauverbote und Nutzungsbeschränkungen

Mitunter werden Grundstücke durch behördliche Anordnungen erheblich eingeschränkt, ohne dass das Eigentum übertragen wird. Beispiele: Ein Bauverbot wegen Einstufung als Gefahrenzone (etwa Lawinenzone), Gewässerschutzzonen oder andere Umweltauflagen, die eine bisher geplante Nutzung vereiteln. Wenn der bisherige oder zukünftig erwartbare Gebrauch komplett untersagt wird, kann dies eine materielle Enteignung darstellen. Grundstückseigentümer haben dann Anspruch auf Enteignungsentschädigung. Geringfügigere Einschränkungen – etwa allgemeine Bauvorschriften wie Höhenbegrenzungen oder Abstandsvorschriften – müssen dagegen in der Regel entschädigungslos hingenommen werden, da sie als zumutbar gelten.

Denkmalschutz und Ortsbildschutz

Die behördliche Unterschutzstellung einer Liegenschaft (z. B. Aufnahme in ein Inventar für Denkmalschutz) kann den Eigentümer stark beeinträchtigen. Darf ein Gebäude aus historischen Gründen nicht mehr verändert oder nur sehr eingeschränkt genutzt werden, spricht man unter Umständen von einer materiellen Enteignung. Ein klassisches Beispiel ist das Unter Denkmalschutz stellen eines Gebäudes, wodurch geplante Umbauten oder eine wirtschaftliche Verwertung unmöglich werden – hier resultiert oft eine erhebliche Wertminderung. Ob dafür eine Enteignungsentschädigung geschuldet ist, hängt vom Ausmass der Einschränkung ab. In der Praxis werden denkmalbedingte Einschränkungen teils als polizeiliche Massnahmen ohne Entschädigung betrachtet, solange noch eine wirtschaftliche Nutzung möglich ist. Im Extremfall (z. B. völliger Nutzungsverlust) kann jedoch ein Entschädigungsanspruch bestehen (Sonderopfer-Theorie).

Eingriff in Nachbarrechte (Immissionen)

Ein spezieller Fall sind enteignete Nachbarrechte. Hier bleibt das Grundstück an sich unberührt, aber ein Nachbar verliert Abwehrrechte gegen Einwirkungen. Bekannt ist dies beim Fluglärm: Anwohner des Zürcher Flughafens erhielten Entschädigungen, weil neue Pistenführungen bzw. geänderte Flugrouten zu übermässigem Lärm führten, der ihre Liegenschaften entwertete. Das Bundesgericht qualifizierte dies als formelle Enteignung der nachbarrechtlichen Abwehrrechte (gegen Lärm) und sprach den Anwohnern Schadenersatz zu. Auch für andere grosse Anlagen (Autobahnen, Eisenbahnen) gibt es ähnliche Konstellationen, in denen übermässige Emissionen eine Entschädigungspflicht auslösen. Voraussetzung ist stets, dass die Immissionen die Toleranzgrenze überschreiten und speziell wenige Eigentümer in unzumutbarer Weise treffen – dann erscheint es geboten, sie wie Enteignungen zu behandeln.

Enteignungsverfahren: Zuständigkeit der Schätzungskommission und Ablauf

Planauflage und Einsprache

Wenn eine formelle Enteignung durchgeführt werden soll (z. B. für ein Infrastrukturprojekt), läuft ein geregeltes Enteignungsverfahren ab. Dieses soll sicherstellen, dass die Enteignung rechtmässig ist und die Betroffenen gehört und entschädigt werden. Die wichtigsten Schritte im Überblick:

Zunächst wird das Vorhaben öffentlich bekannt gemacht. Bei Bundesprojekten geschieht dies etwa durch ein Plangenehmigungsgesuch und die öffentliche Auflage der Pläne. Betroffene Grundeigentümer können innerhalb einer Frist Einsprache erheben und ihre Forderungen anmelden. Meist beträgt die Einsprachefrist 30 Tage ab Publikation. Zusätzlich muss der Enteigner jedem betroffenen Eigentümer eine individuelle Anzeige zustellen, die genau beschreibt, was enteignet werden soll (z. B. welcher Grundstücksteil, welche Rechte). Durch die Einsprache können Betroffene sowohl Einwände gegen das Projekt oder den Umfang der Enteignung erheben, als auch bereits Entschädigungsansprüche geltend machen.

Einigungsverhandlung

Nach Ablauf der Einsprachefrist versucht die zuständige Behörde oder Enteignungskommission, eine einvernehmliche Lösung mit den Einsprechenden zu finden. In einer Einigungsverhandlung wird den Betroffenen oft ein Entschädigungsangebot unterbreitet. Kommt eine Einigung zustande, wird sie in einem Enteignungsvertrag festgehalten, der als verwaltungsrechtlicher Vertrag gilt. Ein solcher Vergleich hat die gleiche Rechtswirkung wie ein Entscheid der Schätzungskommission – das heisst, die vereinbarte Enteignungsentschädigung ist bindend, und die Enteignung kann vollzogen werden. Etwa über 90% der Enteignungsfälle können auf diesem Wege gütlich geregelt werden, ohne dass es zu einem Gerichtsentscheid kommt.

Entscheid über Enteignung und Umfang

Scheitert die Einigung, muss eine Behörde über die Zulässigkeit der Enteignung und deren Umfang formell entscheiden. Je nach Rechtsgrundlage kann dies unterschiedlich organisiert sein. Bei Bundesenteignungen prüft zunächst das zuständige Departement (oder die vom Bundesrat bezeichnete Leitbehörde) die Einsprache und fällt einen Entscheid zum Enteignungsbegehren. Gegen diesen Entscheid können die Parteien Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht erheben. In kantonalen Verfahren entscheidet oft eine Enteignungskommission oder eine Regierungsstelle in erster Instanz über die Durchführung der Enteignung – im Kanton Zürich z. B. der Bezirksrat. Dagegen stehen kantonale Rechtsmittel (Rekurs/Beschwerde) offen. Im Entscheid wird festgelegt, welche Rechte entzogen werden und gegebenenfalls in welchem Umfang (z. B. Fläche der Teilenteignung).

Festsetzung der Entschädigung

Parallel oder im Anschluss wird die Höhe der Enteignungsentschädigung ermittelt, sofern nicht bereits vertraglich geregelt. Hierfür ist in der Regel die Schätzungskommission zuständig. Die Schweiz kennt sowohl eidgenössische Schätzungskommissionen (für Enteignungen nach Bundesrecht) als auch kantonale Schätzungskommissionen für kantonale/kommunale Eingriffe. Die Schätzungskommission ist ein unabhängiges Fachgremium, meist zusammengesetzt aus Juristen und Sachverständigen (Gutachtern) für Liegenschaftsbewertung. Sie führt ein Schätzungsverfahren durch, das häufig mit einer weiteren Einigungsverhandlung beginnt. Der Präsident der Kommission versucht dabei erneut, eine Einigung zwischen Enteigner und Enteignetem zu erreichen. Gelingt dies nicht, entscheidet die Schätzungskommission durch Entscheid (Urteil) über die angemessene Entschädigung. Sie würdigt die Beweise (Gutachten, Wertschätzungen, Vorbringen der Parteien) und legt einen Entschädigungsbetrag fest. Dieser Entscheid der Schätzungskommission ist für beide Seiten verbindlich, sofern kein Rechtsmittel ergriffen wird.

Übergang des Eigentums

Vollzogen wird die Enteignung in der Regel erst, wenn die Enteignungsentschädigung festgesetzt und bezahlt ist. Mit Bezahlung geht das enteignete Recht von Gesetzes wegen auf den Enteigner über. Die Eintragung im Grundbuch hat dann nur noch deklaratorische Bedeutung, da der Rechtsübergang schon kraft Gesetz erfolgt. Das sorgt dafür, dass der Eigentümer nicht enteignet wird, ohne gleichzeitig sein Geld (oder Ersatzland) zu erhalten – ein wichtiger Schutzmechanismus. In manchen Fällen werden auch Akontozahlungen oder Depotzahlungen geleistet, wenn sich Verfahren verzögern, damit der Berechtigte nicht zu lange auf Geld warten muss. Nach Zahlung und Grundbuchänderung kann der Enteigner über das Grundstück verfügen, und der ursprüngliche Eigentümer hat keinen dinglichen Anspruch mehr darauf.

Zuständigkeiten

Beim Bund ist das Enteignungsverfahren im Bundesgesetz über die Enteignung (EntG) geregelt. Der Bund kann sein Enteignungsrecht jedoch an Kantone oder Dritte delegieren (Art. 2 EntG). Bundesprojekte (z. B. Nationalstrassen, Eisenbahnen, Flugplätze) laufen nach den Vorschriften des EntG ab, mit Einsprachemöglichkeit und Entscheidung der Eidg. Schätzungskommission. Kantone haben oft eigene Enteignungsgesetze und Kommissionen. Im Kern sind die Abläufe jedoch ähnlich, da die verfassungsrechtlichen Vorgaben (Art. 26 BV und Art. 36 BV) für alle Ebenen gelten. Wichtig zu wissen: Für die Bewertung und Entschädigungsfestsetzung ist immer eine Schätzungskommission zuständig, die als spezialisierte Instanz fungiert. Dies entlastet die Gerichte und bringt Sachverstand in die Berechnung ein. Erst wenn eine Partei mit dem Entscheid der Kommission nicht einverstanden ist, kommen Gerichte ins Spiel (siehe Rechtsmittel unten).

Fristen, Verjährung und Rechtsmittel

Einsprachefristen im Verfahren

Die Durchsetzung von Entschädigungsansprüchen im Enteignungsfall ist an gewisse Fristen gebunden, die unbedingt beachtet werden sollten:

Wie erwähnt, muss eine Einsprache gegen eine geplante Enteignung innerhalb der gesetzlichen Frist erfolgen (in der Regel 20–30 Tage nach Publikation der Planauflage). Verpasst ein Eigentümer diese Frist, kann er Einwände gegen das Projekt meist nicht mehr vorbringen. Auch Beschwerden gegen Enteignungsentscheide oder Schätzungskommissions-Urteile sind innert kurzer Fristen einzulegen – oft 20 oder 30 Tage ab Zustellung des Entscheids, je nach anwendbarem Verfahrensrecht. Es ist daher wichtig, amtliche Mitteilungen im Enteignungsverfahren aufmerksam zu verfolgen und rasch zu reagieren.

Verjährung von Entschädigungsansprüchen

Entschädigungsforderungen aus enteignungsgleichen Eingriffen (materielle Enteignung) unterliegen in der Regel einer Verjährungsfrist. Diese Frist beträgt häufig fünf Jahre ab Eintritt der Eigentumsbeschränkung. Konkret: Wird zum Beispiel ein neuer Nutzungsplan rechtskräftig, der Ihr Grundstück auszont oder stark beschränkt, haben Sie ab Inkrafttreten dieses Plans fünf Jahre Zeit, eine Enteignungsentschädigung geltend zu machen. Danach tritt die Verjährung ein und der Anspruch verwirkt (sofern nicht vorher fristwahrend ein Gesuch oder eine Klage eingereicht wurde). Bei formellen Enteignungen beginnt die Verjährungsfrist meist mit Entstehung des Schadens bzw. der formellen Enteignung. Ein Spezialfall sind nachträgliche Schäden – etwa Immissionsschäden nach Bau eines öffentlichen Werks (z. B. Lärm, Setzungen): Hier startet die Frist, sobald die schädliche Einwirkung sich manifestiert hat und der Umfang des Schadens erkennbar ist. Auch diese Ansprüche verjähren in der Regel nach fünf Jahren. Es ist daher ratsam, mögliche Entschädigungsansprüche frühzeitig prüfen zu lassen und nicht zuzuwarten.

Rechtsmittel gegen Enteignungsentscheide

Betroffene müssen eine Enteignung nicht einfach hinnehmen – sie haben Rechte auf rechtliches Gehör und gerichtliche Überprüfung. Im Enteignungsverfahren können sie Einsprache erheben (siehe oben). Gegen formelle Enteignungsverfügungen oder Planfeststellungsentscheide stehen je nach Zuständigkeit Verwaltungsrechtsmittel offen (kantonal oder auf Bundesebene). Entscheide der Schätzungskommission über die Entschädigungshöhe kann man meist an ein Verwaltungsgericht weiterziehen. So ist z. B. im Kanton Zürich ein Rekurs ans Verwaltungsgericht innert 20 Tagen möglich; bei Bundesangelegenheiten ist die Beschwerde ans Bundesverwaltungsgericht vorgesehen. Letztinstanzlich kann das Bundesgericht in Lausanne angerufen werden (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten), sofern die Streitwertgrenzen und übrigen Voraussetzungen erfüllt sind. Die Gerichte prüfen dann, ob die Enteignung rechtmässig war und ob die Enteignungsentschädigung korrekt bemessen wurde. In der Praxis sind erfolgreiche Anfechtungen seltener – meist geht es um die Höhe der Entschädigung, während die Enteignung an sich (bei gegebenem öffentlichem Interesse) selten verhindert werden kann. Doch insbesondere bei materiellen Enteignungen (Planungsentschädigungen) muss der Eigentümer oft selbst aktiv werden und z. B. mittels Klage seinen Anspruch durchsetzen, wenn die Behörde nicht freiwillig zahlt.

Kosten und anwaltliche Unterstützung

Ein Enteignungsverfahren ist für die Betroffenen im Grundsatz kostenlos – jedenfalls bei formellen Enteignungen. Die Kosten der Schätzungskommission und des Verfahrens trägt das Gemeinwesen. Betroffene haben sogar Anspruch darauf, dass ein beigezogener Anwalt vom Enteigner (Staat) bezahlt wird. Dies soll sicherstellen, dass sich Eigentümer qualifiziert vertreten lassen können, ohne aus Angst vor Kosten auf ihre Rechte zu verzichten. Es ist daher sehr zu empfehlen, frühzeitig einen spezialisierten Anwalt für Immobilienrecht hinzuzuziehen, der die komplexe Materie überblickt. Dieser kann Einsprachebegründungen verfassen, Verhandlungen führen und nötigenfalls Beschwerde einlegen. Die Erfahrung zeigt, dass mit professioneller Unterstützung oft höhere Entschädigungen erzielt werden können und Verfahrensfehler vermieden werden. Die Anwaltskosten werden im Falle der formellen Enteignung in aller Regel vom enteignenden Gemeinwesen getragen. Bei Entschädigungen für materielle Eingriffe (z. B. Planungen) kommt es darauf an: Wird der Anspruch vor Gericht durchgesetzt, werden bei Obsiegen ebenfalls Verfahrenskosten und Parteientschädigungen zugesprochen. Zögern Sie also nicht, Ihre Rechte wahrzunehmen.